Die Harburg zu Haynrode

„Harburg“ ist entsprechend althochdeutscher Ableitung ein Wotansberg; denn Wuotan-Odin-Har (Hor) stehen nach Jacob Grimms „Deutscher Mythologie“ für die höchste und oberste Gottheit, die von germanischen Stämmen verehrt wurde. Die Harburg liegt auf einem Ausläufer des Ohmgebirges nördlich über dem Eichsfelder Tor. Ihr Standort befand sich auf einem steil abfallenden Bergkegel  in 452 m Höhe und thronte 1 km südöstlich von Haynrode. Am Fuß des nördlichen Berghanges verlief die um 1600 versteinte kurmainzische Territorialgrenze, die östlich des Hubenberges nach Süden abknickte. Burgbaugrund und -baumaterial sind unterer Muschelkalk als geschichteter Bruchstein.

Das Oval des ehemaligen oberen Burgplatzes (ca 20 x 40 Meter)ist von einem eingetieften Ringgraben und Vorwall umgeben. Auf der steil abfallenden Nordseite blieb ein Stück Ringmauer, ca. 4 Meter lang und 5 Meter hoch, mit kleiner Schartenöffnung erhalten. Ein Türrestgewände lässt eine Verbindung zwischen Palas und Bergfreid vermuten. Der ehemalige Burgweg ist noch gut sichtbar und erreichte von Norden das äußere Kammertor der weitläufigen Vor- oder Unterburg. Spuren lassen erkennen, dass über einen langen Zeitraum abgetragene Burgsteine auf immer neuen Wegen zu Tal gebracht wurden. Auffällig ist häufig zutage tretendes Ziegelwerk, das vermutlich dem ausgehenden 16. Jahrhundert entstammte. Der Zerstörungsgrad durch den Überfall aufständischer Bauern 1525 hatte bei weitem nicht solche Ausmaße erreicht, dass die Burg deswegen aufgegeben werden musste. Vielmehr trugen Fortentwicklung der Feuerwaffen und unbequeme Wohnzustände erheblich dazu bei, sich von der exponierten Bergburg endgültig zu trennen und dafür die im Tal komfortabler ausgebauten Rittersitze zu beziehen.

1632 erhielten die Grafen von Schwarzburg und Stollberg Haynrode einschließlich aller Waldungen und Güter, die die Bültzingslöwen und Chrstoph vom Hagen an und um den Ohmberg von altersher von den Hohensteiner Grafen zu Lehen erhalten hatten, mit allen Nutzungen, Gerichten, Jagdrecht etc. zurück.

Nach einem wechselvollem Schicksal (z.B. 1165 Zerstörung der Burg durch Landgraf Ludwig zu Thüringen oder 1525 durch aufständische Bauern) verfiel die Burg.
C. Duval schrieb vor ca. 155 Jahren:

„Hier und da ein Rest alten Gemäuers, das sich nur wenig über den Boden erhebt und zwischen Gebüsch versteckt und von hohen Bäumen beschattet, kaum herausgefunden wir.. Erhöhungen und Vertiefungen, welche die ehemalige Lage der hier befindlich gewesenen Gebäude andeuten, Spuren eines Grabens und eine 16 bis 20 Fuß hohe Mauer mit einer kleinen Fensteröffnung, - das ist alles, was wir noch von der Harburg, welche so oft in der Geschichte des Eichsfeldes erwähnt wird, erblicken. Die hohen Türme, welche einst trotzig genug in das Tal hinabdräuten, sind gefallen, die festen Thore sind zertrümmert und die Gemächer, welche von den Tönen der Lust und der «Pokale läuten« widerhallten, sind zu Staub geworden. Die Stätte, wo einst fröhliches Leben herrschte, ist von saftigem Grün überwuchert, und da, wo sonst kräftige Menschen einherschritten, sehen wir jetzt die stumme, eilig durch Gebüsch huschende Eidechse, die scheue Bewohnerin des alten Gesteins.“


Das steinerne Haus

Spuren Bültzingslöwenscher Pfandherrschaft finden sich an verschiedenen Stellen in Haynrode. Der Mittelhof, Zehntspeicher und Herrenhaustyp des16./17. Jahrhunderts, im Volksmund wegen seiner Steinsichtigkeit „Steinernes Haus“ genannt, ist trotz abgebrannter oberer Stockwerke in seiner Anlage erhaltenen geblieben. Das großartige Langhaus entstammt in einzelnen Sektionen dem ausgehenden 16. Jahrhundert. Zwei hochgesetzte repräsentative Rundbogentüren an der westlichen Außenwand entsprechen spätgotischer Steinmetzkunst. Fast deckungsgleich kehrt sie in der Langzettbogen-Eingangstür an dem 1590 entstandenen Langhaus der Ortskirche wieder.

ANNO DOMINI 1590

WER GOTT VERTRAVT

HAT WOHL GEBAWT

ZV SOLSTATT

HANS KILLIAN

Bauermeisterinschrift mit Zeichen

Die drei Portale, stilistisch weder der Architektur des Herrenhauses noch der der Kirche zuzuordnen, entstammen womöglich dem Burg-Palas einer bischöflichen Stiftskapelle auf der Harburg.

In der Dorfkirche Haynrodes erinnern ein Ritterepitaph mit Bildsymbolen, ein Wappen sowie die Jahreszahl „1526“ an Bültzingslöwensches Patronat. Im Kirchturm hängt eine Glocke aus der genannten großen Zeit, als sie noch auf Harburg saßen. Die Glocken-Umlaufinschrift lautet:

ANNO DO. 1502 hoc opus completum per Paulum

Maes. Hilf Gott Maria berath

Da den Bültzingslöwen zugleich geistige Befugnisse oblagen, und das lange Zeit vor der Reformation, waren sie ohne Zweifel auch die Kirchengründer in Haynrode. Die Grundsteinlegung zur ersten Kirche dürfte auf die Zeit ihrer Höfeherausbildung zurückgehen.