Die Familie von Bültzingslöwen ist ein mehrere Jahrhunderte altes Geschlecht, dass die Regionalgeschichte des Eichsfeldes mitprägte. Es stammte von „Bilzingsleben“ im Kreis Eckartsberga, einem Ort, dessen Name sich im Lauf der Zeit geringfügig änderte.
Die „von Bültzingslöwen“ erkennt der Heiligenstädter Kanzleirat Theodor von Steinmetzen 1701 als „ächt deutsch, indem er sie weder von den Römern noch Ungarn oder Liefländern“ abstammen lässt. „Die Familie von Bültzingslöwen“, schreibt er, „hat Kaisern, Königen und Churfürsten, Landgrafen und Grafen in Kriegszeiten tapfere Helden und Ritter, Obersten, Hauptleute, und in Friedenszeiten Räthe und Leute zu Hof- und anderen Aemtern gegeben. Ihren Sitz hat sie besonders zu Haynrode unter der Harburg.
Nach diesem Zitat ergänzt C.Duval in „Das Eichsfeld“ „Der Stammsitz derer von Bültzingslöwen ist jedenfalls das thüringische Dorf Biltzingsleben, in dessen Kirche man noch am Altare das Bültzingslöwensche Wappen erblickt.“ Das Wappen ging leider bei einem Neubau im 19. Jahrhundert verloren.
(Aus dem Eichsfelder Jahrbuch 1995 von Wolfgang Trappe)
Rudolf von Bilzingsleben wird aufgeführt als Zeuge in einer Urkunde des Landgrafen von Thüringen von 1215: „... Und damit diese Handlung den Nachfolgenden rechtskräftig und unverändert bewahrt bleibt, haben wir die vorliegende Urkunde aufschreiben und mit den anhängenden Siegeln bekräftigen lassen vor den unten stehenden Zeugen, welche sind: Herr Landgraf Hermann, Graf H(einrich) von Stolberg, Bertold von Creuzburg, Marschall H(einrich), Ludwig von Allmenhausen, Rudolf von Bilzingsleben, Notar H(einrich) und andere mehr. ...“ . Er ist damit ein angesehener, glaubwürdiger Mann im direkten Umfeld des Landgrafen und des Landgrafenhauses.
Hans Patze, der Nestor der thüringischen Landesgeschichtsforschung, schreibt über ihn folgendes: "Fast ausschließlicher Aufenthalt im Gefolge des Landgrafen und eine entsprechende Stellung unter Standesgenossen machen auch Rudolf von Bilzingsleben mit ziemlicher Gewissheit als Ministerialen kenntlich."
Ministerialen wuchsen in niedrigere Verwaltungsdienste hinein und gleichzeitig auch in den Waffendienst. Als bewaffnete Reiter kamen sie, obwohl abhängig, der sozialen Stellung ihrer Herren bald näher als ihrem bäuerlichen Ursprung. Ihre allmähliche teilweise Standeserhöhung zum niederen Adel im Laufe des 13. Jahrhunderts bewirkten ihre Aufgaben, nicht ihre Herkunft. Damals wurden sie sogar lehnsfähig, und ihre kampferprobtesten Mitglieder bildeten mit kleineren Angehörigen des älteren Adels (Edelfreie) die Ritterschaft.
Wir finden Rudolf von Bilzingsleben immer wieder an der Seite seines Landesherren. Besonders gilt das für Ludwig den Heiligen nach dem Tod Hermanns im Jahre 1217. Ludwig folgte seinem Vater in der Regentschaft. Im Mai 1224 nahm Ludwig das Kreuz, nachdem ihm Friedrich II. einen Kostenzuschuss von 5.000 Mark sowie freie Überfahrt und Verpflegung für seine Begleitung zugesagt hatte. Auch Rudolf dürfte damit zum Kreuzfahrer geworden sein.
Auf der Wartburg bei Eisenach in Thüringen findet sich in der Kemenate der Hl. Elisabeth ein eindrucksvolles Wandbild aus Mosaiken, das ein Kreuzfahrerschiff mit Landgraf Ludwig, dem Kaiser Friedrich II., seinen Soldaten und im Vordergrund einen geharnischten Ritter darstellt. Dieser Ritter hält einen Schild mit dem Wappen der Bültzingslöwen vor sich – es scheint Rudolf v. Bilzingsleben zu sein, der seinen Landgrafen nach Palästina begleiten sollte. Wir schreiben das Jahr 1227.
Quelle: Michael Kirchschlager: Rudolf von Bilzingsleben (1180/1190 1233). Aus dem Leben eines Adligen im hohen Mittelalter. Niedergeschrieben im März 2021 basierend auf Vorträgen in Weißensee A. D. 2015 und 2019
Die Bültzingslöwen waren vom 14.-16. Jahrhundert wiederholt Amtmänner der Ämter Rusteberg, Bischoffstein, Worbis und Harburg im Dienste des Kurfürstentums Mainz und zudem von 1381-1574 pfandrechtliche Eigentümer der Ämter Worbis und Harburg. Der Amtmann war im deutschsprachigen Raum seit dem Mittelalter der oberste Dienstmann eines vom Landesherrn zur Territorialverwaltung von Gutshöfen, Burgen und Dörfern geschaffenen Amtes, das zugleich ein Verwaltungs- und Gerichtsbezirk war. Er trieb im Amtsbezirk die Steuern ein, sprach Recht und sorgte mit einer kleinen bewaffneten Einheit für Sicherheit und Ordnung.
Die Harburg war eine Ministerialenburg, in der von den jeweiligen Besitzern der Burg und des Amtes Burgherren und Ministeriale eingesetzt wurden. So war bereits 1312 Siegfried von Bültzingslöwen Burgherr auf der Harburg, die zu diesem Zeitpunkt im Besitz des Landgrafen von Thüringen war. In den Besitz der Harburg kamen die Bültzingslöwen 1380/81, als Siegfried von Bültzingslöwen, Amtmann auf dem kurmainzischen Rusteberg bei Heiligenstadt, die Schlösser Harburg und Worbis sowie die Hälfte des im Südeichsfeld gelegenen Bischofssteins für 1.662 Mark Heiligenstädter Währung mit geharnischter Nachhilfe in Besitz nahm. Vordem waren Worbis und Harburg zur Hälfte im Besitz der Thüringer Landgrafen gewesen, die dem Mainzer Stift zur Hälfte Mitbesitz einräumten. 1381 Alleineigentümer geworden, vergab das Erzstift seine Rechte durch Verpfändung bis zur Wiedereinlösung 1574 fast vollständig an die Bültzingslöwen.
Im Zug der Reformation schlossen sich die Bültzingslöwen zusammen mit den meisten auf dem Eichsfeld ansässigen Adelsgeschlechtern dem neuen Glauben an. Im Jahr 1546 waren die meisten Dörfer der Ämter Worbis und Harburg lutherisch. Das Festhalten am neuen Glauben veranlasste Kurfürst Daniel 1574 im Zuge der Gegenreformation zum Vorgehen gegen den Eichsfelder Adel und die Bültzingslöwen. Mit der Wiedereinlösung der Pfandherrschaft beseitigte der Kurfürst die fast unbeschränkte Gewalt der Bültzingslöwen in den Ämtern Harburg und Worbis und ermöglichte so die Rekatholisierung. Eine für den Verlust der Pfandherrschaft gewährte Abfindung von etwa 15.000 Thaler verwendeten die Bültzingslöwen zum Ausbau ihrer Höfe in Haynrode.
Quellen: Eichsfelder Jahrbuch 1995 von Wolfgang Trappe; Wikipedia
Mit den Grafen von Hohnstein standen die Bültzingslöwen schon im 13. Jahrhundert in Verbindung. Anfang des 15. Jahrhunderts begannen sie, Güter und Gehölze auf dem Gebiet der Gemarkung Haynrode in der direkt an das Kurmainzische Eichsfeld angrenzenden Grafschaft Hohnstein zu erwerben und die Güter zu komfortablen Rittersitzen auszubauen. Am 1. Mai 1515 wurden Rudolf von Bültzingslöwen, Amtmann in Bischoffstein, sein Bruder Heinrich sowie deren Vetter Rudolf, Amtmann zu Rusteberg durch Graf Ernst von Hohnstein mit der Gemarkung Haynrode belehnt. Die Bültzingslöwen errichteten auf Ihren Besitz die vier Haynröder Güter, den Oberhof, Mittelhof, Hinterhof und den Unterhof und die Kirche St. Anna.
Die Haynröder Gutsherren besaßen über ihre Bauern die Zins- und Lehnsgerichtsbarkeit. Erbzinsen auf den Grundbesitz, Dienstgeld und regelmäßige Naturalienabgaben waren zu leisten. Hinzu kamen beträchtliche Frondienste, die entsprechend der Größe des jeweiligen Besitzes zu erbringen waren. Land-, Wald- und Bauarbeiten waren zu verrichten, die Äcker ihrer Lehnsherren zu bestellen, die Ernte einzubringen, Holz zu schlagen, Fuhr-, Jagd- und Handdienste und zu leisten. Im Zuge des bäuerlichen Aufruhrs wurde im Bauernkrieg am 15. Mai 1525 der Herrensitz derer von Bültzingslöwen, die Harburg, von aufständischen Mühlhäuser Bauern verwüstet und geplündert. Auch die Rittersitze in Haynrode wurden ausgeraubt. Nach der Verwüstung ihres Stammsitzes siedelten die Bültzingslöwen unter den Brüdern Rudolph und Heinrich nach Haynrode über.
An das Schicksal ihrer Hohnsteiner Lehnsherren und deren erbverbrüderten Grafen von Schwarzburg-Sondershausen gebunden, verloren die Haynröder Bültzingslöwen mit dem Tod des kinderlosen Grafen Ernst VII. von Hohnstein 1593 zunächst die Pfandrechte an ihren Gütern. Nach mehrmaligem Wechsel der Pfandschaft erhielten die Bültzingslöwen diese jedoch schließlich 1632 mit allen vormals zustehenden Rechten, Nutzungen und Gerichten unter Christian Günther I. aus dem Hause Schwarzburg-Sondershausen zurück.
Im Dreißigjährigen Krieg konnten sich die Bültzingslöwen aus den Kriegshandlungen weitgehend heraushalten. In der Zeit des Siebenjährigen Krieges dienten neun Mitglieder der Familie in Königlich-Preußischen und Fürstlich Schwarzburgischen Diensten. Im Zuge der Napoleonischen Kriege kam zum 1. Januar 1808 die Aufhebung der Lehnsverfassung und der Patrimonialgerichtsbarkeit in Gang. Unter der nachfolgenden preußischen Herrschaft wurde Haynrode am 15. Juni 1816 aus der Pfandschaft der Grafen von Schwarzburg–Sondershausen entlassen und dem preußischen Eichsfeldkreis Worbis eingegliedert. Die Hofherren traten ausnahmslos als hochrangige Offiziere in den Königlich Preußischen Militärdienst ein.
Mitte des 19. Jahrhunderts wurden alle Haynröder Güter zu einem Besitz vereinigt. Letzter von Bültzingslöwen auf den Haynröder Höfen war Rudolph Wilhelm Friedrich August (1805-1869) aus der Hinterhöfer Linie. Mit der Heirat von dessen Tochter Maria Theresia mit Otto von Klüchtzner im Jahr 1874 gingen die Haynröder Höfe in den Besitz der Familie von Klüchtzner über.
Quellen: Eichsfelder Jahrbuch 1995 von Wolfgang Trappe; Das Eichsfeld von Claude Duval 1845; Wikipedia
Die Stammherren der heutigen von Bültzingslöwen sind Karl Hermann Heinrich Levin (1801-1871) und dessen Söhne Karl Hermann (1832-1910) und Karl Heimart (1837-1918) aus der Mittelhöfer Linie sowie Wulf (1847-1940) und dessen Sohn Friedrich (1874-1943) aus der Hinterhöfer Linie.
Karl Hermann Heinrich Levin war Königlich Preußischer Major und erwarb nach Beendigung seiner militärischen Laufbahn das Gut Nahrten im Kreis Guhrau, Schlesien von der Familie seiner Ehefrau Emilie von Trützschler zum Falkenstein. Nahrten war Heimat seiner Familie und der Familie seines Sohnes Karl Heimart, bis dieser es 1888 verkaufte.
Wulf und sein Bruder Günther (1839-1889) waren Plantagenbesitzer in Surabaya, Günther zudem Konsul des Deutschen Reiches in Surabaya. Ihre Schwester Mathilde (1852-1926) war die Mutter der Malerin Paula Modersohn-Becker. Ihr Vater Ferdinand von Bültzingslöwen (1808-1882) war Oberstleutnant und Stadtkommandant von Lübeck.
Heute lebt die Familie weit verstreut in Deutschland, mit Nachkommen auch in den USA, Chile, Argentinien, Neuseeland, Schweden und den Niederlanden. Seit den 1920er-Jahren wurde die Verbindung zwischen einigen Familienmitgliedern durch monatliche Briefbeiträge gehalten, die dann gesammelt als Rundbrief an die interessierte Verwandtschaft versandt wurden. Dieses war auch zu Zeiten der DDR für die dort lebenden Angehörigen wichtig. Um den Zusammenhalt innerhalb der Familie zu fördern, werden seit den 1980er-Jahren alle 2 Jahre Familientage an unterschiedlichen Orten, die jeweils einen Bezug zur Familie haben (z.B. Bilzingsleben, Haynrode etc.), abgehalten.
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