Der Name „von Bültzingslöwen“

„ein von dem Orte dieses Namens, Amts Eckartsberga in Thüringen sich nennendes Geschlecht. Die Endsilben des Namens wurden im Mittelsalter „lewen, leben“ oder „leiben“ geschrieben und sind gleichbedeutend mit dem späteren „heim“ (Wohnsitz), während Bültzing als die Koseform des Personennamens Boltze anzusehen ist. Wenn nun auch der Ortsname bei seiner Schöpfung mit dem Raubtier Löwe (mittelhochdeutsch lewe) so wenig zu schaffen hatte, wie der Name Berlin mit Bären, so ist es doch gewiß, daß man in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts das Gleichlautende der beiden Namen als Motiv für die Wahl eines redenden Wappenbildes benutzt hat, wie dies damals unzählbar oft geschehen ist."
 

Mögliche Namenserklärung, aufgestellt durch Herrn Professor Herrmann Kowalke, Pädagoge und Germanist in Rostock, im Jahr 1995

Hinsichtlich der Bedeungsstruktur dieses Familiennamens wären drei Bestandteile zu unterscheiden: "bült(z)" – "ing(s) – "löwen".

"bült" ist als Teil von Familiennamen in Nordthüringen und in angrenzenden Gebieten Niedersachsens mehrfach belegt: Bultmann, Bültmann, Bülthoff, Bültenbrink u.a. Vom Benennungstyp her gesehen (semasiologisch), handelt es sich hierbei um Wohnstättennamen, um Lokalisierungen innerhalb der Flur. Das mittelniederdeutsche Wort "bulte" bezeichnet einen Hügel, eine "erhöhte Stelle in Sumpflage". Das Plattdeutsche Wörterbuch von 1985 (Hinstorff-Verlag Rostock) enthält den Eintrag: Bült f. 1. in Büscheln wachsendes Gras auf feuchten Wiesen. – 2. kleine, mit Rohr bewachsene Inseln. – 3. ausgehobene Grassode, Pl. Bülten

"ing" ist ein ambivalenter, unselbständiger Wortteil mit dem Charakter eines Suffixes, steht bei der Bildung von Personen- und Familiennamen in Konkurrenz mit "-er" und "-mann" und ist im 13. bis 16. Jahrhundert in Norddeutschland noch außerordentlich produktiv. Es bezeichnet wie "-er" und wie "-mann" das mit dem Wort Bezeichnete als eine Person, macht folglich aus dem "Wort" den "Namen". Zu der oben wiedergegebenen Namenreihe könnten sich noch solche Namen wie Bülter, Bültemann (Rostocker Telefonbuch), Bülting Hinzufügen lassen.

"löwen" kommt als Teil von Ortsnamen im niederdeutschen Sprachraum südlich der Elbe, Raum Hamburg – Braunschweig – Magdeburg – Halle, bis zum Quellgebiet der Werra, nicht selten vor (Aschersleben, Eisleben, Fallersleben, Haldensleben, Biltzingsleben), und zwar in der Form von "leben". Der Wechsel von "e" zu "ö" kann als im Niederdeutschen wirksame lautgeschicht- liche Tendenz zur sogenannten "Rundung" (wir "Kürche" statt "Kirche", "Kürsche" statt "Kirsche") angesehen werden, aber auch familiengeschichtlich durch individuelle Sprech- und Schreibgewohnheiten hervorgerufen worden sein. In Ortsnamen wird "-leben" als "Hinterlassenschaft" gedeutet, in Anleh- nung an altnordisch "leif", althochdeutsch "leiba" für "Überbleibsel", "Erbhinterlassenschaft".
Auf den Wechsel von "u" zu "ü" und "t" zu "tz" braucht nicht eingegangen zu werden, da sie beide zur Klärung der lexikalischen Wortbedeutung nichts beitragen.

Andere Erklärungsversuche, die etwa spezielle Kenntnisse und Informationen über konkrete mundartliche Besonderheiten, über die Eigenarten der Landschaft und des Siedlungsraumes und den Lauf der Familiengeschichte nutzen können, sind nach dem gegenwärtigen Stand der Namenkunde möglich und könnten durchaus nicht nur im Detail zu einem anderen Ergebnis führen..
 

Anmerkungen zum Familiennamen von Bültzingslöwen durch Prof. Udolph 

Bei Durchsicht urkundlicher Quellen ergibt sich aber, daß ein großer Anteil der ältesten Belege im Eichsfeld zu finden ist, vor allem im Urkundenbuch Eichsfeld, Bd. 1 und bei L. Frhr. v. Wintzingeroda-Knorr, Die Wüstungen des Eichsfeldes, Halle 1903.

Das führt zu der Erkenntnis, daß dem Familiennamen der Ortsname Bilzingsleben zugrunde liegt. Es ist also von einem sogenannten Herkunftsnamen auszugehen. Der Ortsname ist schon des öfteren behandelt worden, ich verweise auf:

P. Cassel, Türingische Ortsnamen, Erfurt 1856-1858; Nachdruck Köln-Wien 1983, S. 95f.

A. Werneburg, Die Namen der Ortschaften und Wüstungen Thüringens, Nachdruck Köln-Wien 1983, S. 39.

B. Schönwälder, Die -leben-Namen, Heidelberg 1993, S. 50 (mit falscher Etymologie).

B. Søndergaard, Indledende studier over den nordiske stednavnetype lev (löv), København 1972, S. 168.

H. Walther, Namenkundliche Beiträge zur Siedlungsgeschichte des Saale- und Mittelelbegebietes bis zum Ende des 9. Jahrhunderts, Berlin 1971, S. 266.

Im zweiten Teil, dem sogenannten Grundwort, steht das alte Element –leben, das in niederdeutschen Belegen als –leve, z.T. alt auch –lovu, -luvu u.ä. erscheint. Es gehört zu got. laiba ,Überbleibsel, Rest', ahd. leiba, as. lëva ,Rest, Erbe, Nachlaß', afries. lâva ,Hinterlassenschaft, Erbe, Erbrecht', ae. lâf ,Hinterlassenschaft, Erbe', an. leif ,Überrest', vgl. alt-dän. kununglef ,Krongut'  ... liegt wohl die Bedeutung ,Hinterlassen-schaft, Erbe' zu Grunde, ähnlich wie bei Ortsnamen auf -erf, oder ganz allgemein ,Eigentum'. Das Grundwort lautet im Altdänischen ‑lef, ahd. ‑leiba, as. -leva, mnd. -leve, neudän. -lev und nhd. -leben“ (W. Laur).

Weiteres zu diesem Element bei H. Walther, Namenkundliche Beiträge zur Siedlungsgeschichte des Saale- und Mittelelbegebietes bis zum Ende des 9. Jahrhunderts, Berlin 1971, S. 152ff. und 265ff. sowie zuletzt J. Udolph, Namenkundliche Studien zum Germanenproblem, Berlin - New York 1994, S. 497-513.

Im ersten Teil, dem Bestimmungswort, steht der Genet. sing. eines männlichen Personennamennamens, hier in hochdeutscher Form Bulzing(s)-. Zugrunde liegt eine germanische Grundform *Bolting (so H. Walther, a.a.O. S. 266), vielleicht auch *Bulting. Entsprechende Personennamen bietet (in Familiennamen) R. Zoder, Familiennamen in Ostfalen, Bd. 1, Hildesheim 1968, S. 271, letzten Endes liegt germ. Bald- (in Baldur u.a.) zugrunde. Dazu am besten: E. Förstemann, Altdeutsches Namenbuch, Bd. 1: Personennamen, Bonn 1900, Sp. 233ff.

Der Ortsname bedeutete also etwa „Hinterlassenschaft, Erbe des Balding, Bolting, Bulting“.

Bilzingsleben

Nördlich von Kindelbrück gelegen (1224 Bultzingesleben, 1251 Bulziggesleibin). Der Ortsname geht auf den Personenname Bulzing („Erbe des Bulzing“) zurück..


 

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